„ Papa Biogas? Hallo?, hallo!!! Es funktioniert, es funktioniert!!!! Wir können gar nicht aufhören zu lachen, uns zu freuen, es funktioniert wirklich!“ So begann am vergangenen Wochenende der skype-Anruf der haitianischen Studenten, mit denen ich einige Wochen zuvor den Prototypen unserer Biogasanlage in Port-au-Prince gebaut hatte. Sie klangen wie berauscht und waren vollkommen aus dem Häuschen. Nachdem es nach meiner Abreise zunächst ein paar Missverständnisse und Unsicherheiten auf haitianischer Seite gegeben hatte, und ich schon daran gezweifelt hatte, ob meine „Gwoup Biogaz“ wirklich alle Erklärungen und Anweisungen richtig verstanden hatte, haben André, Laumenaire und Laveus am vergangenen Samstag das erste Mal den Gaskocher an die Anlage angeschlossen und mit Biogas gekocht. Als erste Mahlzeit haben sie Rühreier gebraten, wahrscheinlich weil sie ein schnelles Kochergebnis anstrebten und nicht warten wollten, bis zum Beispiel Reis gar gekocht war. Vielleicht aber auch, weil sie sich nicht sicher waren, wie lange das Gas reichen würde. Die Sorge war unbegründet, nach dem nur zehnminütigen Kochvorgang war am Gastank kaum eine Veränderung zu bemerken. Und die drei glücklichen Studenten versicherten, dass sie noch nie im Leben bessere Eier gegessen hätten.
Schon für den nächsten Tag organisierten wir eine Vorführung für zwei Mitarbeiterinnen von YY Haiti, dem deutsch-haitianischen Ableger der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Grameen-Bank, um sie eventuell für ein Mikrofinanzierungsprogramm gewinnen zu können, damit die Anlagen in Haiti ebenso erfolgreich ökologische Praxis in den Slums werden können wie in Indien. Auch ihnen wurden Eier aufgetischt und nach ausführlichen Erklärungen, wie solche Anlagen die Zukunft Haitis verändern könnten, schienen die beiden sehr beeindruckt. Jedenfalls mailten sie mir sofort eine Vorlage für einen Businessplan zu. – Und der Gastank war wieder nur ein wenig tiefer gesunken.
Beim nächsten Telefonat vereinbarten wir deshalb, dass die Gruppe am nächsten Tag den Gaskocher so lange brennen lassen sollte, bis alles Gas verbraucht sein würde, um zu sehen, wie lange der Gasvorrat reicht. Da Haitianer nichts verschwenden, wurde „Diri ak pwa“ auf den Speiseplan gesetzt, das haitianische Nationalgericht bestehend aus Reis mit Kidneybohnen. Eine Mammutaufgabe, da die getrockneten Bohnen, wenn nicht vorher einen Tag eingeweicht, stundenlang köcheln müssen. Vier Stunden später waren die Bohnen und auch der Reis fertig, und der Gastank nun wirklich fast leer. Da er knapp 24 Stunden später aber bereits wieder halb gefüllt war, hat unser kleines Gaswerk meine Erwartungen dennoch bei weitem übertroffen. Mit einer täglichen Befütterung von nur zwei Kilogramm Obst- und Gemüseschalen sowie etwas Essensresten einer kommerziellen Garküche erreichen wir eine Kochzeit von gut zwei Stunden. Und das, was von dem vorher vollkommen ungenutzten Abfall übrig bleibt, sind etwa zehn Liter flüssiger biologischer Dünger. Haben wir also das „Ei des Kolumbus'“ für die armen Familien Haitis gefunden? Haben wir eine Alternative zu der unseligen Holzkohle, deren Nutzung nahezu alle Berge Haitis zu kahlen Felshügeln mutieren ließ?
Ja. ABER: Es bleibt leider ein Riesenproblem. Aufgrund der desolaten Wirtschaftssituation und der Monopolstellung weniger Firmen und Importeure sind leider die Ausgangsmaterialien in Haiti unverhältnismäßig teuer. Während zum Beispiel ein 1.000-Liter-Wassertank in Indien 120 US-Dollar und in Tansania sogar nur 85 US-Dollar kostet, mussten wir in Haiti dafür 400 US-Dollar bezahlen. Auch die Kunststoffabwasserrohre, die aus den USA importiert werden müssen, kosten in Haiti das Zweifache des „normalen“ Preises. Alles in allem haben uns alleine die nötigen Teile mit 850 US-Dollar das Doppelte des indischen Verkaufspreises der gleichen Anlage gekostet. Damit sind natürlich die Anlagen nur für diejenigen Haitianer bezahlbar, die sowieso nicht mehr mit Holzkohle kochen.
Um dieses Problem zu lösen und Anlagen in Haiti anbieten zu können, die in Verbindung mit einem fairen Mikrokredit möglichst vielen Menschen die Chance gibt, mit Biogas zu kochen, sind wir fieberhaft auf der Suche nach günstigeren Bezugsquellen für das nötige Material. Und auch wenn mir dieses Problem bereits einige schlaflose Nächte beschert hat, bin ich doch zuversichtlich, dass wir auch dafür eine Lösung finden und vielleicht ein wenig dazu beitragen können, dass Haiti vielleicht mal wieder dem grünen Paradies, das Kolumbus vor Augen hatte, ein wenig ähnlicher wird. Sagte er doch über Haiti: „Die Inseln sind alle hoch und tragen ragende Berge. Diese, schmuck und schön, zeigen tausenderlei Gestalt, sind zugängig und voller Bäume, tausendartig und hoch, die den Himmel zu berühren scheinen. Sie blühen teils, teils tragen sie Frucht. Die Nachtigall singt und tausend Vögel anderer Art. Der Palmen gibt es sechs bis acht Arten, wundersam zu sehen, wegen ihrer schönen Vielfalt.“
Vermutlich der erste Dünger, den die Pflanzen in Port-au-Prince je gekriegt haben... |
Liebe Grüße
Stephan
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