Donnerstag, 6. Oktober 2011

Die haitianische Regierung hat endlich einen Ministerpräsidenten

05.10.2011


In den frühen Abendstunden des Dienstags akzeptierte die Mehrheit der haitianischen Senatsmitglieder den neuen Regierungschef Garry Conille.

Damit endet ein Teil der politischen Krise, die sich seit Mitte Mai hinzieht. Nach einem turbulenten Wahlkampf und einem Urnengang, der wegen Wahlfälschungen teilweise annulliert werden musste, konnte sich der Musiker Michel Martelly als haitianischer Staatspräsident durchsetzen. Allerdings hat er keine parlamentarische Mehrheit. Die von ihm gegründete und auf ihn zugeschnittene Partei der "Bürger Antwort" verfügt lediglich über drei der insgesamt 99 Deputiertensitze. Im Senat ist MartellysPartei überhaupt nicht vertreten.

Was es heißt, gegen die Partei seines Vorgängers René Préval, die die Parlamentsmehrheit hat, Politik zu machen, musste der politisch unerfahrene Musiker schnell lernen. Kaum hatteMartelly seinen Amtseid im beim Erdbeben zerstören Präsidentenpalast abgelegt, verweigerten die Parlamentarier seinem Kandidaten für das Amt des Regierungschefs die Zustimmung. So regierte die Übergangsregierung seines Vorgängers weiter und bestimmte das politische Tempo.

Seit dem schweren Erdbeben von Januar vorigen Jahres, bei dem fast 300.000 Menschen starben und große Teile der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince zerstört wurden, leben nach wie vor mindestens 800.000 Menschen in einfachsten Behelfsunterkünften. Dringend benötigte internationale Hilfsgelder für den Wiederaufbau werden nicht freigegeben, weil zuverlässige Ansprechpartner in den Ministerien fehlten.

Der neue Ministerpräsident Garry Conille könnte frischen Wind in das Armenhaus Lateinamerikas bringen, in dem fast 80 Prozent der Bevölkerung mit weniger als einem Euro den täglichen Lebensunterhalt bestreiten muss. Conille stammt aus einer Familie, die schon dem Diktator Duvalier gedient hat. Seit Jahren arbeitet der Gynäkologe allerdings für die Vereinten Nationen, zuletzt als Vertreter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) im Niger.

Nach dem Erdbeben leitete der Vater von zwei Töchtern das Büro des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für Haiti, Bill Clinton, und half zahlreiche bürokratische Hürden zu überbrücken, um Hilfe ins Land zu bringen. Er kennt sich auf der einen Seite mit der derzeitigen Realität des Landes aus, wird aber aufgrund seiner Tätigkeit im Ausland in der haitianischen Öffentlichkeit als "Fremder" kritisch beäugt.

Die Zitterpartie um das Ministerpräsidentenamt ist noch nicht ganz vorbei. Jetzt muss Conille ein Kabinett bilden, das dann die endgültige Zustimmung der beiden Parlamentskammern braucht. Und da haben die Abgeordneten der Einheitspartei "Inti", die parlamentarische Mehrheitsfraktion, schon klare Vorgaben gemacht. Sie fordern vier Sitze in der neuen Regierung, ein Ansinnen, das Präsident Martelly bisher kategorisch abgelehnt hat.

Man darf gespannt sein auf den weiteren Verlauf der Regierungsbildung.

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