Starten wie immer heute bereits vor 6 Uhr. Alles ist für die Schule in Bellanger gepackt. Treffen uns am Stadtrand mit unserem Ingenieur Guerino.
Er wird das
Projekt Bellanger alleine fertigstellen. Zaun, Toiletten, Spielplatz, Fertigstellung
eines Hauses für eine Vorschule und den Umbau der riesigen Küche in einen
Lagerraum und Raum für den Direktor.
Wir quälen uns
durch den Stadtrand. Benötigen fast 2 Stunden, bis wir Guerino treffen.
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Markt in Cabaret |
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Transport zum Markt |
An der Schule
angekommen kontrollieren wir nochmals, ob alle Kinder aus unserer Liste vom
März noch anwesend sind.
Einige sind
sitzengeblieben, was ja nicht so schlimm ist, einige sind nicht da, sollen aber
wahrscheinlich im Januar wieder zur Schule kommen. Der Direktor will nicht
genau herausrücken, warum es so ist. Aber schon beim letzten Besuch hieß es,
dass die Leute kein Schulgeld bezahlen können, weder Schuhe noch Schuluniform
für die Kinder haben. Conny und wir ärgern uns maßlos und versuchen immer
wieder zu erklären, dass wir uns gerade für diese Kinder hier engagieren und dass
wir wollen, dass diese Kinder in der Schule sind, wir übernehmen die Kosten der
Uniform und wir sind der Meinung, da wir alle Kosten der Schule tragen, dass
die Kinder ohne Schulgeld, auch wenn es nur umgerechnet 10 Euro im Jahr sind,
zur Schule gehen dürfen!
Es kommt noch
Pfarrer Nerilus mit seinem Kaplan aus Cabaret zur Schule. Wir fangen direkt
fast einen Streit an, da er unsere Argumente gar nicht nachvollziehen kann. Die
Kirche hier sei arm. Er hat zwar eines der schönsten Häuser in Cabaret mit
Personal usw., Handy, Auto, unserer Meinung nach ein gutes Leben, aber das sind
ja wohl 2 Paar Schuhe. Es stellt sich auch heraus, dass diese kleine Schule in
Bellanger die einzige seiner Diözese sei und er hier trotzdem nicht finanziell
helfen kann.
Es gibt
unterschiedliche Aussagen, angeblich gar kein Schulgeld, was aber nicht stimmt,
da der Direktor das später nochmals bestätigt.
Wenn es uns
nicht um diese wirklich armen Kinder ginge, würden wir so gerne aufstehen,
unsere Sachen packen und zurück nach Port au Prince fahren. Er ist schließlich bereit,
diese geringen Kosten auszulegen,
als wir zusagen, dass wir es bei
jeder Reise erstatten. Wir haben für weit über 1000 Euro Schulmaterial einschließlich
eines Globus und allem, was auf der Wunschliste der Lehrer war, mitgebracht,
wir haben für über 1000 Euro Spielgeräte in Port au Prince gekauft, unser Ingenieur
ist gerade auf dem Gelände und bereitet alle anderen Investitionen vor - und
dann ist der Pfarrer nicht mal bereit, 1 Euro auszulegen für Plastikfolie, um
die Bücher einzubinden.
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Gruppenbild mit Lehrern in Bellager |
Wir bezahlen
alle Lehrer einschließlich Dezember und Pfarrer Nerilus fordert von allen
Schecks eine Kopie.
Als wir nach
Hause fahren, sind wir uns einig, was für ein schönes Projekt es wäre, wenn wir
direkt nur mit dem Schuldirektor und den Lehrern arbeiten dürften.
Conny will eine
Liste erstellen mit unseren Ansprüchen, die erfüllt werden müssen. Alle weiteren
Gehaltsscheck werden wir morgen schreiben und bei BND deponieren.
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Fußballschule |
Auf der Rückfahrt
nach Port au Prince, wagen wir es, die Straße Nr. 9 zu fahren. Es ist eine
wunderbare Straße, ohne Stau und mit ganz wenig Verkehr, auch weniger Kilometer.
Diese Straße führt aber sehr lange durch das Nowhere und endet schließlich in
Cite Soleil. Jedem, dem wir hier erzählen, dass wir die schon gefahren sind,
hält entsetzt die Hand vor dem Mund und wir müssen versprechen, das ja nie
wieder zu tun. Anscheinend sind auf dieser Straße oftmals hold-ups, Kidnapping
und Überfälle. Wir fahren trotzdem, sparen mindestens 1 ½ Stunden und können
noch einiges in Port au Prince erledigen.
Ein kleiner
Stau entpuppt sich als Polizeikontrolle. Stau ist halt immer das Risiko für
Überfälle, so lange man rollt, ist es für Angreifer schwieriger.
Letztlich
kommen wir gut durch. Wir suchen ein Geschäft, in dem Pumpen verkauft werden
sollen. Nachdem wir das Geschäft gefunden haben, entdeckt Conny eine einzige
Handpumpe, eigentlich nicht das, was wir suchen, Guerino meint aber, besser als
nichts. Wir wollen aber noch weiter suchen. So holen wir uns nochmals 2 Kostenvoranschläge
für einen Pick-Up. Der indische TATA ist der billigste. Ob er was taugt? Keine
Ahnung. In Haiti nennt man TATA das Feste, wenn man zur Toilette geht… Die
Marke ist hier absolut nicht angenommen.
Fußballschule |
Dann suchen wir
mit ihm noch den Sportplatz, bzw. den Platz, wo Patrick Millet mit den Kindern
eine Fußball-Schule hat, finden ihn und schauen den Jugendlichen beim Training
zu. Er erklärt uns seinen Traum, weitere Fußball-Schulen zu gründen und dort
den Kindern und Jugendlichen einen Traum zu geben. Weg von der Straße und dem
ständigen Überlebensstress. Er hat momentan zwei Plätze, wo er mit den Kindern
spielen darf. Es sind keine Fußballfelder wie wir sie kennen, sondern einfach
nur freie Plätze. Er und ein Team mit 12-jährigen waren letztes Jahr in
Frankreich eingeladen, sie durften 10 Tage eine andere Welt erleben und müssen
wohl auch sehr erfolgreich die Fußball-Turniere bestritten haben.
Seine laufenden
Kosten sind die Fußballtrainer, der Transport und Trinkwasser. Wir vereinbaren
noch ein Treffen und wollen uns mit einer Spende beteiligen.
Wir starten um
17 Uhr unseren Heimweg. Es regnet, was selten ist in dieser Jahreszeit ist, der
Verkehr ist so grausam, wir fahren dunkelste, unbefestigten Nebenstraßen, nur um
einmal das Gefühl zu bekommen, 100 Meter an einem Stück zu fahren, aber immer
wieder kommt der nächste Stau. Für eine Strecke, die man bei fließenden Verkehr
in weniger als 30 Minuten bewältigen kann, benötigen wir über 3 Stunden und
kommen total fertig nach 20 Uhr an. Ich stelle fest, welch ein Wahnsinn es ist,
sich zweimal täglich diesen Verkehr anzutun. Einmal hin und dann wieder heim.
Conny meint,
nicht zwei Mal sei Stau, sondern eigentlich nur einmal, nämlich durchgehend. Sie
könne nun dem Wort „infernal§ die genaue Deutung und Gefühlslage zuordnen.
Zu Hause sind
wir platt, wir wollen nur noch duschen und ins Bett.
Roswitha Weiß
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