Liebe FreundInnen Haitis,
die Arbeiten zum Schulbau in Bellanger haben - wie schon berichtet - begonnen. Jetzt haben wir vom Bauleiter, unserem Ingenieur Guivens Sylvestre, auch ein paar Bilder erhalten.
Als oberer Mauerabschluss soll dann noch ein Betonträger gegossen werden, in dem die Eisen verankert sind. Das Herauskippen der kompletten Wände, wie es vielfach in den Erdbebenruinen zu sehen ist, kann so verhindert werden. Zugleich dient der Betonträger als Querversteifung zu den äußeren Betonsäulen. Die tragenden Betonsäulen sollen außerdem verstärkt werden. Sie sollen 25 auf 25 Zentimeter stark ausgeführt und erst nach dem Mauerbau gegossen werden. In jeder zweiten Mauerreihe soll ferner ein Ziegel mit der Öffnung zu den Säulen hin verbaut werden, so dass der Beton dort einfließen kann und nochmal Säule und Mauer verbindet. Insgesamt wird also die Querversteifung der Mauer verbessert, daneben wird auch das Dachgewicht gleichmäßiger auf die gesamte Mauer verteilt. Da es nur um eine Verstärkung der ursprünglich geplanten Bauweise geht und "nur" etwas mehr Metall und Beton zusätzlich verbaut wird, sind die Mehrkosten moderat - und der Vorstand der Haiti-Kinderhilfe hat sie einstimmig genehmigt. Zur Absicherung der Dachkonstruktion gegen Hurrikans wird der Dachstuhl außerdem in einer Metallgitterkonstruktion statt nur mit einzelnen Holzbalken ausgeführt. So können die Wellblechplatten besser verschraubt und die gesamte Konstruktion mit dem Mauerwerk verbunden werden. Derzeit wird der echte "Hochbau" - gemeint sind die Mauern über dem Fundament - noch mit den Behörden abgesprochen, die im Erdbebengebiet alle neuen Gebäudeplanungen kritisch überprüfen. Aber dank Guivens' Überplanung sind wir hoffentlich auf der sicheren Seite.
Heute ist außerdem ein guter Tag, weil erstmals seit Wochen keine Stürme und kaum Wolken vorhergesagt sind und im Erdbebengebiet kein Tröpfchen Regen fallen soll. Nur in Cap Haitien sollte es am Morgen noch ein paar Niederschläge geben, aber da leben die Menschen ja trotz des Bebens vom Montag in relativ unbeschadeten Häusern.
Und zu guter Letzt: Eine Schweizer Hebamme, die seit gut einem Monat in Haiti arbeitet, hat uns folgende Zeilen geschrieben, die ich als optimistischen Abschlussgruß übersetzt habe: Ein kleiner Junge, vielleicht acht Jahre alt, hat mir heute den Stinkefinger gezeigt, als ich keine weiteren Süßigkeiten mehr durch den Maschendrahtzaun stecken konnte, weil sämtliche Vorräte aufgebraucht waren. „Nein“, schrie ich zurück, „Frieden, Frieden!“ und streckte ihm das Friedenszeichen entgegen. Für einen kurzen Moment stutzte er, dann hob er seinen Zeigefinger und hielt ihn gemeinsam mit dem Mittelfinger hoch. „Frieden?“, sagte er, eher vorsichtig fragend. „Frieden“, bestätigte ich und hob meine Finger wieder zum weltweit gültigen V. Plötzlich erhellte ein Grinsen sein Gesicht. Die beiden Finger hoch erhoben lief er „Frieden, Frieden“ schreiend zu seinen Freunden, die es ihm schnell gleich taten. Ach, wenn doch nur alle Friedensverhandlungen so einfach wären...
Euch allen "La pè", also Frieden, mit auf den Weg und liebe Grüße,
heike & Stephan
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