Zwischenzeitlich waren wir gut beschäftigt. Alle Patenschaftsunterlagen mussten am Sonntag überarbeitet und abgeglichen werden. Die Bearbeiter selbst auf ihre Aufgaben aufmerksam gemacht werden und ihnen unbekannte Methoden vermittelt werden, damit die Informationen für uns in Deutschland nachvollziehbar werden. Benson unterzog sich einer Ausbildung als „Patenschaftsfotograf“. Sonntagmittag fuhren dann André, Benson und Guinther wegen anstehender Examen zurück nach PaP. André wollte uns den Gefallen tun und unser Gepäck vom Flughafen holen (falls es da ist) und ins Wall’s bringen. Airfrance traue ich nämlich nicht mehr… Abends dann der erlösende Anruf: Das Gepäck ist da, es wurde auch kein chemischer Alarm ausgelöst – trotz des Harzer Käses für Roswithas Gastgeber, der nun ein wenig länger als geplant gelagert wurde!
Montagmorgen um 07:00 sind wir bereits ausgecheckt und auf dem Weg nach San Marc. Diese Stadt empfängt uns deutlich sympathischer als wir das von PaP gewohnt sind. Noch sind in der Architektur Reste des alten Kolonialismus zu sehen; vor allem Banken, wie das ja überall auf der Welt ist, erheben sich modernistisch über diesem Stil und zerprotzen den beschaulichen Eindruck. Es ist nicht ruhiger, aber sauberer; die Leute sind nicht weniger hektisch, aber freundlicher. Sie winken uns, manche finden es offensichtlich sehr gewöhnungsbedürftig, dass ein weißer Mann auf der Ladefläche eines Pick-up sitzt und auch noch freundlich schaut. Zumindest versucht er es, denn die Straßen sind in einem hauptstadtähnlichen Charakter und die Ladefläche ist nicht gepolstert! Was mir gleich auffällt: die Straßen haben nicht nur Namen, sondern auch Schilder, auf denen dieser steht. Und so bemerke sogar ich auf der Ladefläche, dass unser erstes Ziel nicht mehr weit sein kann. Wir fahren auf der „Rue Florenceau“ und wollen zur gleichnamigen Schule!
Obwohl die Ferien erst nächste Woche anfangen sollen, sind nur noch Prüflinge in der Schule. Die können natürlich nicht gestört werden, so dass wir auf 14:00 vertröstet werden, Direktor Roger will bis dahin die Patenkinder zusammengetrommelt haben. Wir schauen uns das Schulgelände etwas genauer an. Im Anschluss an die Schule ist ein riesiges Fundament entstanden. Nach einiger Rätselei ist nur eine Lösung denkbar: Hier entsteht eine große Kirche. Zumindest kann dann die Cafeteria wieder ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt werden. Die Toiletten sind abgesperrt, riechen aber erstaunlicherweise nicht so, wie man es erwarten würde. Entweder sie werden überhaupt nicht aufgesperrt (was bei der Größe der Schule und dem Fehlen anderer zweckdienlicher Örtlichkeiten nicht denkbar ist), oder sie funktioniert einfach perfekt. Leider ist das in dem Moment für uns nicht zu klären.
Auf zum nächsten Termin: St. Trinité. Durch ein endloses Straßengewirr – ich bin sicher, einige Häuser dabei mehrfach gesehen zu haben – erreichen wir diese Schule, wo wir bereits von ihrem Besitzer, Manager und Direktor erwartet und aufs Herzlichste empfangen werden. Auch hier ist bereits Ferienzeit, doch ebenfalls Prüfung und etliche Schülerinnen und Schüler aus unserem Programm warten trotzdem schon. Rasch wird das Programm mit den Patenschaften durchgezogen: Die Schüler kommen einzeln in den ersten Stock (wo wir trotz der Hitze, die sich mittlerweile über der Stadt breitmacht, in luftiger und deshalb angenehmer Höhe auf sie warten) bekommen gesagt, was sie uns noch abgeben müssen und werden fotografiert. Erst mit den obligaten Lollies, Kräckern und Bonbons gelingt es uns, sie dabei zu einem kleinen Lächeln zu bewegen. Zweifelsfälle wurden mit einer Lehrerin abgeklärt, die sich offenbar ebenfalls mit der Leitung der Schule befasst; so gut, wie sie informiert war.
Nach der Abarbeitung der Patenschaften dieser Schule wurden die weiteren Ausbaumaßnahmen der Schule besprochen. Dass der Zustand, in dem die Schule sich derzeit präsentiert, nicht akzeptabel ist, wussten wir ja schon von früheren Besuchen. Die Zeit dazwischen hat den Bau nicht attraktiver gemacht. Das Haupthaus, in dem wir saßen, ist eigentlich kaum zu retten. Sowohl statisch als auch von der Aufteilung her muss sich Grundlegendes ändern, die Spuren des An-, Um- und Ausbauens erinnern an unsere Kleingartenarchitektur der ersten Nachkriegsjahre. Wenn hier etwas Sinnvolles geschehen soll, dann muss das umfassend passieren. Das war uns ja auch schon länger bekannt, doch bis jetzt hatten wir keine Möglichkeit, dort entsprechend zu projektionieren.
Dann eine Unterbrechung, wir müssen zurück zur Florenceau-Schule. Tatsächlich sind etwa 60% der Patenschaftsschüler anwesend. Für den ersten Ferientag nicht schlecht! Mit nur geringen Ausnahmen konnten alle Fragen beantwortet und der Verbleib der für uns nicht wieder aufgetauchten Namen und Patenkinder geklärt werden. Auch hier: Klären, Fordern, Fotografieren. Und Lollies natürlich! Einige Eltern sind mitgekommen, vor allem der Schülerinnen und Schüler, die kurz vor dem Rauswurf stehen, weil sie zu viel gefehlt oder das Klassenziel nicht erreicht haben. Man sieht ihnen an, wie viel Angst sie vor unserem Urteil haben, auch die Eltern kämpfen um eine weitere Förderung durch uns. Noch beim Fotografieren fällt ihnen das Lächeln schwer. Auch später, wenn es um die Problemkinder aus St.Trinité geht, halten wir uns immer wieder vor Augen, wie die Situation der Kinder ist und vor allem, wie wenig Verständnis unsere Pateneltern haben, wenn wir ein Kind ausschließen, das unseren vielleicht zu hohen Ansprüchen nicht ganz genügt. Die meisten bekommen so doch noch eine weitere Chance. Der Unterschied zwischen Trinité und Florenceau ist wie der zwischen einer Land- und einer Stadtschule bei uns. Obwohl in ähnlichem Umfeld, sind die Florenceau-Schülerinnen und Schüler erheblich „cooler“, abgeklärter, während uns die Trinité-Kinder viel offener entgegentreten.
Dann besichtigen Guivens und ich den gesamten Bau aufs Genaueste. Es war ja geplant, auf eines der rückwärtigen Gebäude ein Geschoß aufzusetzen, um beispielsweise für den Direktor (auf dessen einzigem Geländebesitz diese Schule steht) eine Wohnung zu schaffen. Zur Zeit, und das seit Langem schon, haust er in einem Verschlag hinter den Klassenräumen, genau dort, wo der Geruch der wenig funktionierenden Toilette am ursprünglichsten zu riechen ist. Aber es erscheint wenig sinnvoll, den bestehenden Bau überhaupt zu nutzen: Beton und Armierung zersetzen sich zusehend, die Wände haben durchgängig Risse, der Mörtel ist versandet. Auch die Betonsteine sind ausgewaschen und halten nur noch bedingt. Tragende Betonteile wurden nicht in einem Arbeitsgang gegossen, sondern angestückelt – ein Kardinalfehler, der regelrechte Sollbruchstellen provoziert, einige künden sich jetzt schon an.
Über eines sind wir uns aber bereits jetzt einig: Der Direktor Jean Pierre verdient unsere besondere Zuwendung. Auch seine Bereitschaft, über Klassengrößen zu diskutieren und alles zu tun, was zur Klärung unserer Probleme führen könnte, ist beispielhaft. Der Mann strahlt eine immense Liebe zu seinen Schülern, Lehrern und den Gebäuden aus, er kämpft mit seinen eigenen Mitteln als Privatschule gegen behördliche Windmühlenflügel an. Viele Schüler sind von ihm vom Schulgeld befreit – eigentlich dürften sie gar keine Schule mehr besuchen – bei ihm dürfen sie das. So viel Power macht uns sprachlos.
Wir bekommen auch noch ein sehr typisches und schmackhaftes Mittagessen und müssen containerweise Kokosnüsse austrinken, die uns vom Assistenten (bei uns wohl der Hausmeister) unter Einsatz der Unversehrtheit seiner linken Hand mit einer grobschlächtigen Machete zubereitet werden.
Die Unterkünfte, die wir in San Marc aufsuchen, sind derart teuer, dass die vermeintliche Luxusherberge der letzten Tage deutlich akzeptabler ist. Und so kommen wir doch noch einmal dazu, den Tag mit einem abendlichen Bad im Meer zu beschließen. Morgen geht’s dann über die Schule in Bellanger wieder zurück nach PaP, wo schon unsere Koffer warten…
Obwohl die Ferien erst nächste Woche anfangen sollen, sind nur noch Prüflinge in der Schule. Die können natürlich nicht gestört werden, so dass wir auf 14:00 vertröstet werden, Direktor Roger will bis dahin die Patenkinder zusammengetrommelt haben. Wir schauen uns das Schulgelände etwas genauer an. Im Anschluss an die Schule ist ein riesiges Fundament entstanden. Nach einiger Rätselei ist nur eine Lösung denkbar: Hier entsteht eine große Kirche. Zumindest kann dann die Cafeteria wieder ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt werden. Die Toiletten sind abgesperrt, riechen aber erstaunlicherweise nicht so, wie man es erwarten würde. Entweder sie werden überhaupt nicht aufgesperrt (was bei der Größe der Schule und dem Fehlen anderer zweckdienlicher Örtlichkeiten nicht denkbar ist), oder sie funktioniert einfach perfekt. Leider ist das in dem Moment für uns nicht zu klären.
Auf zum nächsten Termin: St. Trinité. Durch ein endloses Straßengewirr – ich bin sicher, einige Häuser dabei mehrfach gesehen zu haben – erreichen wir diese Schule, wo wir bereits von ihrem Besitzer, Manager und Direktor erwartet und aufs Herzlichste empfangen werden. Auch hier ist bereits Ferienzeit, doch ebenfalls Prüfung und etliche Schülerinnen und Schüler aus unserem Programm warten trotzdem schon. Rasch wird das Programm mit den Patenschaften durchgezogen: Die Schüler kommen einzeln in den ersten Stock (wo wir trotz der Hitze, die sich mittlerweile über der Stadt breitmacht, in luftiger und deshalb angenehmer Höhe auf sie warten) bekommen gesagt, was sie uns noch abgeben müssen und werden fotografiert. Erst mit den obligaten Lollies, Kräckern und Bonbons gelingt es uns, sie dabei zu einem kleinen Lächeln zu bewegen. Zweifelsfälle wurden mit einer Lehrerin abgeklärt, die sich offenbar ebenfalls mit der Leitung der Schule befasst; so gut, wie sie informiert war.
Nach der Abarbeitung der Patenschaften dieser Schule wurden die weiteren Ausbaumaßnahmen der Schule besprochen. Dass der Zustand, in dem die Schule sich derzeit präsentiert, nicht akzeptabel ist, wussten wir ja schon von früheren Besuchen. Die Zeit dazwischen hat den Bau nicht attraktiver gemacht. Das Haupthaus, in dem wir saßen, ist eigentlich kaum zu retten. Sowohl statisch als auch von der Aufteilung her muss sich Grundlegendes ändern, die Spuren des An-, Um- und Ausbauens erinnern an unsere Kleingartenarchitektur der ersten Nachkriegsjahre. Wenn hier etwas Sinnvolles geschehen soll, dann muss das umfassend passieren. Das war uns ja auch schon länger bekannt, doch bis jetzt hatten wir keine Möglichkeit, dort entsprechend zu projektionieren.
Dann eine Unterbrechung, wir müssen zurück zur Florenceau-Schule. Tatsächlich sind etwa 60% der Patenschaftsschüler anwesend. Für den ersten Ferientag nicht schlecht! Mit nur geringen Ausnahmen konnten alle Fragen beantwortet und der Verbleib der für uns nicht wieder aufgetauchten Namen und Patenkinder geklärt werden. Auch hier: Klären, Fordern, Fotografieren. Und Lollies natürlich! Einige Eltern sind mitgekommen, vor allem der Schülerinnen und Schüler, die kurz vor dem Rauswurf stehen, weil sie zu viel gefehlt oder das Klassenziel nicht erreicht haben. Man sieht ihnen an, wie viel Angst sie vor unserem Urteil haben, auch die Eltern kämpfen um eine weitere Förderung durch uns. Noch beim Fotografieren fällt ihnen das Lächeln schwer. Auch später, wenn es um die Problemkinder aus St.Trinité geht, halten wir uns immer wieder vor Augen, wie die Situation der Kinder ist und vor allem, wie wenig Verständnis unsere Pateneltern haben, wenn wir ein Kind ausschließen, das unseren vielleicht zu hohen Ansprüchen nicht ganz genügt. Die meisten bekommen so doch noch eine weitere Chance. Der Unterschied zwischen Trinité und Florenceau ist wie der zwischen einer Land- und einer Stadtschule bei uns. Obwohl in ähnlichem Umfeld, sind die Florenceau-Schülerinnen und Schüler erheblich „cooler“, abgeklärter, während uns die Trinité-Kinder viel offener entgegentreten.
Dann besichtigen Guivens und ich den gesamten Bau aufs Genaueste. Es war ja geplant, auf eines der rückwärtigen Gebäude ein Geschoß aufzusetzen, um beispielsweise für den Direktor (auf dessen einzigem Geländebesitz diese Schule steht) eine Wohnung zu schaffen. Zur Zeit, und das seit Langem schon, haust er in einem Verschlag hinter den Klassenräumen, genau dort, wo der Geruch der wenig funktionierenden Toilette am ursprünglichsten zu riechen ist. Aber es erscheint wenig sinnvoll, den bestehenden Bau überhaupt zu nutzen: Beton und Armierung zersetzen sich zusehend, die Wände haben durchgängig Risse, der Mörtel ist versandet. Auch die Betonsteine sind ausgewaschen und halten nur noch bedingt. Tragende Betonteile wurden nicht in einem Arbeitsgang gegossen, sondern angestückelt – ein Kardinalfehler, der regelrechte Sollbruchstellen provoziert, einige künden sich jetzt schon an.
Über eines sind wir uns aber bereits jetzt einig: Der Direktor Jean Pierre verdient unsere besondere Zuwendung. Auch seine Bereitschaft, über Klassengrößen zu diskutieren und alles zu tun, was zur Klärung unserer Probleme führen könnte, ist beispielhaft. Der Mann strahlt eine immense Liebe zu seinen Schülern, Lehrern und den Gebäuden aus, er kämpft mit seinen eigenen Mitteln als Privatschule gegen behördliche Windmühlenflügel an. Viele Schüler sind von ihm vom Schulgeld befreit – eigentlich dürften sie gar keine Schule mehr besuchen – bei ihm dürfen sie das. So viel Power macht uns sprachlos.
Wir bekommen auch noch ein sehr typisches und schmackhaftes Mittagessen und müssen containerweise Kokosnüsse austrinken, die uns vom Assistenten (bei uns wohl der Hausmeister) unter Einsatz der Unversehrtheit seiner linken Hand mit einer grobschlächtigen Machete zubereitet werden.
Die Unterkünfte, die wir in San Marc aufsuchen, sind derart teuer, dass die vermeintliche Luxusherberge der letzten Tage deutlich akzeptabler ist. Und so kommen wir doch noch einmal dazu, den Tag mit einem abendlichen Bad im Meer zu beschließen. Morgen geht’s dann über die Schule in Bellanger wieder zurück nach PaP, wo schon unsere Koffer warten…
Andreas Meisig
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