Mittwoch, 11. April 2012

Zwei Tage am Strand

Am Mittwochmorgen schlugen uns Michelle und Peter, unsere Gastgeber vor, dass wir gemeinsam noch für zwei Tage an den Strand fahren sollten. Sie hätten Zugriff auf ein Strandhaus von Freunden. Nach anfänglichem Zögern, weil uns eigentlich die Zeit davon rennt, war aber dann der Wunsch endlich mal weg aus Port-au-Prince zu kommen und zwei Tage Ruhe zu haben, einfach größer. Nach über drei Wochen ohne Pause  nichts als Arbeiten, Organisieren, Container und Projekte  erschien uns die Vorstellung ans Meer zu fahren einfach himmlisch. Wir versuchten unsere Donnerstag- und Freitagtermine noch ein wenig zu verändern, um tatsächlich zwei freie Tage zu bekommen. Am Mittwoch hatten wir dann auch volles Programm mit Schwester Marthe, Lagerhalle, Krankenhaus, Patenschaftskomité, Endplanung Billiguy. Am Abend reichte es kurz vor Schluss um 21.oo Uhr noch schnell in den Supermarkt um ein wenig Proviant für die Fahrt am nächsten Morgen zu kaufen. Daheim am Montagne Noire schnell noch ein paar Kleidungsstücke eingepackt, geduscht und todmüde ins Bett. Wir sind dann am Donnerstag schon vor 5 Uhr morgens aufgebrochen, Richtung Westen nach Petit Goave. Alles war noch stockdunkel, aber doch schon ein ziemliches Gewühle auf der Straße. Im Dunkeln zu fahren ist hier absolut anstrengend. Alle fahren mit aufgeblendeten miserabel eingestellten Scheinwerfern mitten auf der Straße. Kein Seitenstreifen ist zu erkennen, und so auch nicht die Fußgänger.
Früher fuhr man von Port-au-Prince durch Carrefour hinaus aus der Stadt. Dann kamen  irgendwann ganz klein die Städtchen Gressier und Leogane, danach nichts außer Natur. Irgendwann vor der Abfahrt nach Jacmel war ein Marktplatz und man fuhr idyllisch über die Berge nach Jacmel. Jetzt hat man das Gefühl, dass man immer durch bebautes Gelände fährt und Port-au-Prince direkt in die nächste Stadt übergeht. Erst hinter der Abfahrt nach Jacmel endet das stark bebaute Gebiet und es gibt endlich karibische tropische Natur. Wir fahren einige Kilometer und biegen dann rechts auf eine versteckte Sandstraße. Nach 1 km erreichen wir eine kleine Bucht. Hier haben reiche Haitianer Ihre Strandhäuser. Das Meer ist wirklich türkisblau wie auf Kitschfotos über die Karibik. In der Bucht sind Fischer mit Einbaum-Booten unterwegs, und wir sehen einige junge Männer tauchen und mit Pfeil und Bogen Fische jagen. Ja, alles ist wunderschön, aber wir sind irgendwie körperlich am Ende. Ich bin schrecklich erkältet, habe fast keine Stimme mehr und huste was das Zeug hält. Roswitha ist vollkommen übermüdet und schläft nach unserem Frühstück sofort ein. Julia und ich schwimmen erst mal eine Runde in dem seidigen, klaren Wasser. Unter uns ein Korallenriff mit wunderschönen bunten Fischen. Stunden lang kann man in dem warmen Wasser aushalten.

Die Köchin verwöhnt uns am Nachmittag  mit auf einer kleinen Feuerstelle gegrillten Lambis. Das sind Muscheln, die ins Feuer geschmissen werden und nach einiger Zeit, wenn sie ausgeschäumt haben, die Schale weggeklopft wird, anschließend mit Zitrone und scharfer Soße gegessen wird.
Die Köchin kaufte bei den Fischern noch kleine Fische und am Abend gibt es diese mit Kochbanane und Süßkartoffeln. Weil es keinen Strom gibt, nur Petroleumlampe, gingen wir schon früh ins Bett. Roswitha und ich schauen uns noch lange den Sternenhimmel an und überlegen, ob wir nicht irgendwie im Freien schlafen könnten, da es im Haus immer noch heiß ist. Zum Glück schleiften wir nicht die Matratzen hinaus, denn es setzte ein wahnsinniger tropischer Regen ein. Wir hatten echt Angst, dass es uns wegschwemmen würde.

Am Freitagmorgen war aber wieder tropischer blauer Himmel – die Nacht vergessen. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit unwahrscheinlich leckeren unbekannten Mangosorten und herrlicher Papaya machen wir einen Strandspaziergang. Kilometer weit kann man laufen, nur Hühner, Ziegen und Korallen. Einige Strandhäuser sind vom Erdbeben zerstört, unbewohnbar geworden. In ein kleines Häuschen dringen wir ein und finden einen wunderbaren kaum zerstörten Fussboden aus haitianischem Marmor vor. Der Rest des Hauses ist allerdings ziemlich demoliert. Nach zwei Stunden Wandern in der inzwischen ziemlich großen Hitze, kehren wir wieder zurück, vollbepackt mit Muschel- und Korallenfunden.  Jeder zieht sich irgendwohin zurück, zum Schlafen, Lesen, Dösen, Schwimmen. Einfach mal nur Ruhe.

Am frühen Abend gibt es eine ganz besondere haitianische Spezialität für uns: gegrillte Langusten. Den Tag lassen wir ausklingen mit einem letzten Bad im Meer und gehen früh schlafen, weil wir ja am anderen Morgen schon um fünf Uhr los wollen. Wir hatten zwei schöne, ruhige Tage am Meer, haben einen Eindruck von Karibik und Traumurlaub erhalten. Leider holt uns die Realität dann schnell wieder zurück. Um sieben Uhr sind wir in Port-au-Prince, dort tobt bereits der Verkehr und der normale haitianische Wahnsinn hat uns wieder.


Conny Rébert-Graumann und Roswitha Weiss









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