Samstag, 7. Dezember 2013

Montag, 02.12.2013



Heute morgen um 8:00 Uhr waren wir mit Rachelle in Petionville verabredet, um endlich die Patenschaftsunterlagen komplett fertigzustellen. Gestern Abend sprachen wir noch mit dem Direktor der Schule in Bellager, dass er sich ebenfalls heute Vormittag mit uns treffen sollte, damit wir die Spielgeräte gemeinsam aussuchen könnten. Er war sofort bereit zu kommen.

Dann die Überraschung heute morgen: Schon wieder ein platter Reifen, diese Mal vorne rechts. Wir pumpen mit einem kleinen Kompressor ungefähr ein halbe Stunde, bis er einigermaßen prall ist. Man hört aber deutlich, dass irgendwo Luft entweicht und wir dringend den Reifen reparieren lassen müssen. Zum Wechseln hat weder Roswitha noch ich Lust, wir werden versuchen so in die Stadt herunter zu fahren und dann gleich den Reifen flicken zu lassen.

Um kurz nach acht sind wir im Quartier Latin, wo wir endlich mal wieder unsere Mails lesen können. Irgendwie ist das Leben ohne Internet schwierig, wenn man immer auf der Suche nach einem funktionierenden Netz ist. Wir besprechen noch mal unsere Arbeitsteilung. Bank, Spielgeräte, Reifenflicken. Das sollen meine Aufgaben sein. Bei der Bank die Kontoauszüge zu holen, was in Haiti normalerweise kein einfaches Unterfangen ist, war dennoch ganz schnell erledigt. Schlangen stehen am Monatsanfang in den Reihen vor der Kasse. Die Kontoauszüge, die wir schon vor Wochen bestellt haben, sind natürlich nicht fertig. Ich dachte schon, mich auf eine lange Wartezeit einzurichten, was aber gar nicht nötig war. Ganz in der Nähe befindet sich eine Reifenwerkstatt, die wir aber nur mit Hilfe eines Passanten erreichen, der sich kurzerhand mit ins Auto setzte, als wir nach dem Weg fragten. In Petionville sind alle Straßen neu in Einbahnstraßen aufgeteilt, deren Verlauf man erst mal lernen muss. Jedenfalls ist der Reifen fast schon wieder platt, als wir endlich die Werkstatt erreichen. Der Mechaniker baut den Reifen aus und zeigt mir dann auch im Wasserbecken, wie groß das Loch ist und dass es leider nicht mehr zu reparieren ist. Es drückt sich bereits der Stahldraht des Reifengürtels aus dem Gummi heraus. Er zieht den Ersatzreifen drauf, der auch schon in einem jämmerlichen Zustand ist. Mir schwant, dass ich heute einen großen Teil meiner Zeit im Avis-Warteraum verbringen werde. Jean Claude, der Direktor von Bellager, ist bereit mich zu begleiten. Auf dem Weg herunter zur Flughafenstraße fahren wir bei Mr.Domilus (eine Art Baumarkt) vorbei, um die Spielgeräte  auszusuchen und einen Kostenvoranschlag zu bestellen. Alles geht recht flott und wir kommen um halb 12 bei Avis an. Der junge Mann am Empfang nimmt unser Anliegen auf und schickt uns dann weiter in den Warteraum. Bevor ich gehe, nerve ich die Monteure noch schrecklich, weil ich eindringlich auf fünf neuen Reifen bestehe. Mehrmals gehe ich zurück und erkläre, dass wir jeden Tag große Schwierigkeiten hätten, den steilen Weg zum Montagne-Noire rauf zu fahren. Man erklärt mir, dass die Reifen in einer halben Stunde montiert seien. Nach eineinhalb Stunden, um kurz vor eins gehen wir wieder raus zur Werkstatt, weil bisher noch niemand unser Auto zurückgebracht hat und wir nicht sicher sind, wie das vonstatten geht. Im vollklimatisierten Warteraum mit Großbildschirm warten noch etliche andere Leute auf ihr Auto. Ein Haitianer, der schon vor uns da war, folgt uns dann auch gleich. Wahrscheinlich aus Angst, dass wir bevorzugt werden könnten. An der Werkstatt angekommen, nervt Jean Claude die Leute dort und wir beschweren uns, dass wir so lange auf einen Reifenwechsel warten müssen. Der Haitianer spricht uns an und erzählt, dass er einen Service am Wagen machen lassen wollte, weil er so schlecht starte, und er schon seit morgens um 8 Uhr ohne irgendwelche Information im Warteraum herumsitze. Ich gehe noch einmal in Richtung Werkstatt und werde umgehend vom Sicherheitsdienst wieder in den Warteraum zurückgebracht. Aber offensichtlich hatten sie doch genug von mir, und kurze Zeit später steht das Auto mit nagelneuen Reifen vor der Tür. Wir konnten um 14 Uhr nach „nur“ zweieihalb Stunden Wartezeit wieder zurück nach Petionville fahren, wo wir bei der Schulbuchdruckerei eine weitere Aufgabe erfüllen können, nämlich drei lange Listen Schulmaterial zu bestellen. Der Verkehr war grauenhaft, um 14.00 Uhr gehen die Schüler nach Hause, meistens werden sie abgeholt oder fahren mit TapTaps oder Mopedtaxis in ihre Stadtteile zurück. Verkehr, soweit das Auge reichte! Dann immer wieder Autos mit verschiedenen Pannen, die mitten auf der Straße repariert werden. Der Verkehr aus beiden Richtungen erlahmt dann vollkommen, weil keiner bereit ist zu warten und einen anderen passieren zu lassen. Ich merke, dass ich genauso fahre, da ich nur noch weiter will und keine Lust habe, die Delmas 6 km den Berg hoch zu stehen.  Endlich, nach 15:00 treffen wir endlich in Petionville ein und fallen fast vor Hunger um. Mein Frühstück um halb 7, eine Banane, eine Mango und eine Tasse Kaffee, habe ich längst verdaut während des Verkehrsstresses, Jean Claude, der schon seit halb 6 Uhr von Cabaret aus auf der Straße unterwegs ist, hat überhaupt noch nichts gegessen. Wir kaufen uns an der Straße jeder eine Portion Reis mit Hühnchen, Banane pesè, Karotten-Kohlgemüse und Pickles. Ein richtig guter Tipp von Rachelle- es schmeckte prima. Während die anderen noch essen, ich aber schon im Heißhunger alles heruntergeschlungen habe, gehe ich noch über die Straße um in einem Eisen- und Haushaltwarengeschäft ein paar Bilderrahmen zu kaufen. Wir haben für Bellager von jeder Klasse ein Gruppenfoto gemacht und diese vergrößern lassen. Diese Fotos wollen wir den Klassen nun gerahmt schenken. Leider finde ich keine Rahmen, aber dafür einen ganzen Kreis netter Verkäuferinnen, die mich umringen, um die Fotos von den netten Kindern anzuschauen. Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte die Rahmen bekommen… Wir sind gestärkt und erledigen unsere restlichen Einkäufe. Leider bekommen wir nur einen Teil der Schulmaterialien in Petionville und müssen nun doch noch einen weiteren Tag einplanen, an dem wir an der Flughafenstrasse ins Hauptgeschäft gehen. Um 17:00 Uhr endlich entlassen wir Jean Claude, damit er nach Bellager bzw. Cabaret zurückfahren kann. Wir hatten den Tag über viel Zeit für Gespräche, er erzählte mir über sein Leben in Haiti, dass er, wenn es eine Gelegenheit dazu gäbe, sofort mit seiner Familie ins Ausland ginge. Er liebe sein Land und würde niemals an Emigration denken, wenn er mit seiner Familie in einer wirtschaftlich einigermaßen sicheren Lage wäre. Trotz seiner Lehrerstelle reicht sein Gehalt kaum aus, seine kleine Familie, Frau und ein Kind mit drei Monaten, zu ernähren. Er hat hohe Beförderungskosten, da er einige Kilometer weg von der Schule in den Bergen wohnt. In Cabaret oder Bellager konnte er keine für ihn bezahlbare Wohnung finden. Mir tut es weh, wie schlecht es den Leute geht und dass keine Besserung für die Masse der Menschen in Sicht ist. Jean Claude sagte auch ganz frei heraus, dass er sich für Politik nicht interessiere, da die Menschen immer nur enttäuscht würden, er vertraue allein auf die Kraft der Menschen, das Elend zu überleben.

Ich bin ganz platt vom Tag und davon, wieder so wenig erledigt zu haben, im Vergleich zum Zeitaufwand. Ich brauche mein Bier, eine Dusche und ein Bett.

Wir sind auf Corona Bier aus Mexiko umgestiegen.

Morgen früh bin ich mit Guerino um 7 Uhr bei Henfrasa verabredet, wir haben uns viel vorgenommen, das Motto ist immer gleich- wenn die Hälfte erledigt ist, können wir uns glücklich schätzen.

Conny Rébert Graumann

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