Samstag, 27. Februar 2010

neuigkeiten aus haiti 21

Liebe FreundInnen Haitis,

endlich haben wir wieder echte, eigene und dann auch noch gute Nachrichten:

1. Wir haben zu weiteren überlebenden Patenkindern Kontakt! Hinzugekommen sind:
# 21 Jolimer Kevens
# 604 Simeon Louvens
# 607 Jim Denver Florestal
# 614 Fabienne Blaise
# 617 Christine Jean
# 703 Naisha Myrline Madeau
# 650 Emmanuel Assous hatte wohl besonderes Glück. Er wurde bei dem Beben schwer am Kopf verletzt und sehr lange nicht medizinisch versorgt. Zum Glück wusste sich seine Familie zu helfen, sie brachte den Jungen zu Verwandten nach Cap Haitien, wo er schneller behandelt wurde. Inzwischen ist er schon wieder in Port-au-Prince, und seine Familie hält mit dem Patenschaftskomitee Kontakt.
Für nächsten Samstag hat Stephan die vom Haiti-Kinderhilfe-Vorstand beschlossene zweite Ausgabe von 50 US-Dollar an die Familien der Patenkinder anberaumt. Das Komitee hatte leuchtende Augen, als Stephan es bat, für eine weitere Auszahlung alle Überlebenden zusammenzutrommeln. Die Not ist riesig.

2. Auf dem Gelände von Henfrasa leben inzwischen etwa 3.000 Leute. Allerdings stehen dort jetzt fast ausschließlich stabile Zelte. Von der Wasservergabestelle des THW hatten wir ja schon berichtet. Neu hinzu kamen seither Waschgelegenheiten und Latrinen. Durch unseren deutsch-schwedisch-belgisch-haitianischen Freund Martin haben wir erreicht, dass die Luxemburger Sektion von Ärzte ohne Grenzen in der Nähe des Sportgeländes eine mobile Klinik eröffnen wird. Da die Sportanlage komplett überbevölkert ist, wird das mobile Hospital dank Aces Vermittlung auf einem Freigelände am nahegelegenen Reitsportklub errichtet. Dann wird auch für die Kranken und Verletzten auf dem Henfrasa-Gelände die medizinische Behandlung leichter erhältlich sein. Sobald Stephan mal eine stabile Internetverbindung hat - seit die Medien abgezogen sind, klappt die Kommuniaktion im Land nicht mehr so gut... -, will er Bilder senden, die reiche ich dann natürlich nach.

3. Ace verhandelt mit den Regionalbehörden von Delmas 33 - wo sich auch sein Sportklub befindet, in dem er uns Räume zur Verfügung stellt - über die Ausweisung einer nahe gelegenen Freifläche für ein Obdachlosencamp. Tatkräftig wie er ist, will er sein Fitnesscenter so schnell wie möglich wieder aufbauen. Damit die Arbeiten aber begonnen werden können, muss das Gelände geräumt werden. Er träumt davon, dass die Regierung jetzt Land in und um Port-au-Prince zur Verfügung stellt, auf dem sich Obdachlose in geordneteren Ansiedlungen niederlassen können, als dies in den bisherigen Armenvierteln der Fall war.

4. Stephan sagt, an den vergangenen beiden Abenden hat es geregnet. Ihm graut vor der Vorstellung, dass die Regenzeit keine vier Wochen mehr weg ist. Zwar seien deutlich mehr stabile Notunterkünfte in der Stadt zu sehen als noch vor drei Wochen, aber es gebe auch noch jede Menge Lager, wo Familien unter Decken und sogar Pappkartons lebten.



5. In all den Trümmern die Orientierung zu behalten, ist nicht einfach. Ich glaube, wir hatten in diesen Rundmails noch nicht kommuniziert, dass sich sogar Roswithas Söhne, die ja in Port-au-Prince aufgewachsen sind, bei der Evakuierungsreise der Adoptivkinder auch schwer getan hatten, sich zwischen den Ruinen zurechtzufinden. Stephan war immer wieder mal geschockt, wo er auftauchte, wenn er eine Ecke wiedererkannte. Dann wurde ihm überdeutlich, welche markanten Gebäude fehlten. Die Situation sei ähnlich wie vor drei Wochen, meinte er heute, man bewege sich weitgehend zwischen Schutthalden in der Stadt. Lediglich die Trümmer des Kinderkrankenhauses von den Kleinen Brüdern und Schwestern in Pétionville seien schon vollkommen beseitigt. Es seien viele Architekten aus der ganzen Welt angereist, die sich mit schnellen Lösungen und Wohncontainern auskennen. Einen englischen Architekten, der in Jacmel für Medair Shelter bauen wird, deren Stahlgerippe sich später als Grundgerüst für ein "echtes" Haus nutzen lässt, fand er besonders überzeugend.

6. Die Hilfslieferungen, die wir über eine französische Senatorin an Schwester Marthe und die obdachlosen Restavek vermitteln wollten, als die Lage in Port-au-Prince zwei Wochen nach dem Beben noch viel undurchschaubarer als jetzt war, sind tatsächlich angekommen. Schwester Marthe hatte offenbar kurz Zugang zu irgendeinem Rechner - und nach 27 Tagen die erste unserer zahlreichen Nachfragen beantwortet. In ihrem gewöhnungsbedürftigen Sprachmischmasch aus Kreyol, Englisch, Französisch und Flämisch schrieb sie einen Einzeiler: Sende Euch für alle Hilfslieferungen und alles Geleistete von tiefstem Herzen Dank... Kann momentan nicht mehr sagen... Marthe behält Euch alle in ihren Gebeten... Grüße.
Stephan hat außerdem in Erfahrung gebracht, dass Mouvman Vin Plis Moun über weitere Hilfsorganisationen mindestens zwei Mal Lebensmittelhilfe erhalten hat. Adveniat lieferte ferner hochkonzentrierte Nahrung und Planen für die obdachlos gewordenen Restavek. Von der französischen Regierung erhielt Schwester Marthe nach unserem Appell leider nur Babynahrung, aber auch dafür hat sie eine sinnvolle Verwendung gefunden. Aller Voraussicht nach treffen sich Stephan und Marthe heute Abend, dann werden auch die weiteren Schritte in Sachen Restavek-Zentrum abgeklärt. Auf die Idee, die Kirche um das Überlassen eines Grundstücks zu ersuchen, sind wohl viele andere auch gekommen; Schwester Marthe berichtete, dass ein regelrechtes Gezerre um jene Flächen entbrannt sei.

7. Die Planungen, den bereits beschlossenen Schulbau in Bellanger, erdbebensicher zu machen, sind weit gediehen. Guivens hat Stephan genau erklärt, wie die miesen Hohlraumziegel, mit denen traditionell in Haiti gebaut wird, besser mit Moniereisen und Betongüssen ineinander verzahnt werden, damit die Wände stabiler werden. - Bevor ich, die ich keine Ahnung von Bauarbeiten habe, irgendeinen Quatsch schreibe, erspare ich Euch (und mir...) lieber die Details; wir werden sicher spätestens im nächsten Rundbrief genauer berichten. Auch die Dachkonstruktion wurde nochmals überplant: Das Blechdach soll statt auf Balken nun auf Eisengitterträgern montiert werden, damit es besser Hurrikans standhalten kann.

So viel für heute, liebe Grüße,
heike fritz

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